Gespenstisch: ein Schiff wird in Chittagong, Bangladesch, abgewrackt (© katiekk2 – stock.adobe.com)

Containerschiffe, Tanker oder Flugzeugträger – irgendwann haben sie alle ausgedient. Was mit den schwimmenden Stahlkolossen dann allerdings passiert, bleibt der Öffentlichkeit weitgehend verborgen.

Schiffsfriedhöfe müssen ziemlich unwirtliche Orte sein. Journalisten berichten von gespenstischen Szenen. Ausgemusterte Schiffe liegen wie an einer Perlenkette aneinander aufgereiht an Stränden. Einige der Dampfer haben noch eine Galgenfrist bekommen, andere sehen schon aus wie zerfleddert. Zu diesem Bild gesellt sich ein Gestank aus Ruß, Öl und Staub. Das Wasser gleicht häufig einer trüben braunen Suppe.

Gefährliche Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung

Bis zu dreiviertel aller Schiffe weltweit verenden an den Stränden von Indien, Bangladesch oder Pakistan. Diese Zahl stammt aus einem Bericht der belgischen Nichtregierungsorganisation „Shipbreaking Platform“, welche sich für ein sauberes und sicheres Recycling von Schiffen einsetzt. Anhand dieser Zahl stellt sich die Frage, warum die Schiffe, die einen ernormen Beitrag für den Wohlstand der Industrieländer leisten, in der Mehrheit in Südasien von der Bildfläche verschwinden.

Ein Grund findet sich in der Konstruktionsweise von Schiffen. Sie werden dafür ausgelegt, der rauen See bei Wind und Wetter standzuhalten. Dabei kam in der Vergangenheit häufig Asbest zum Einsatz. Heute wegen der hohen Gesundheitsgefährdung verboten, stellt Asbest die Eigner vor ein großes Problem, denn das Entsorgen des giftigen Stoffes ist aufwendig und teuer. Hier kommen nun die Abwrackwerften in Alang (Indien), Chittagong (Bangladesch) und Gadani (Pakistan) ins Spiel. Sie bieten eine günstige Alternative zum Entsorgen von Schiffen.

Die Werften an diesen Stränden können auf eine Heerschar günstiger Arbeitskräfte zurückgreifen. Für viele der in Armut lebenden Einwohner ist ein Job auf einem Schiffsfriedhof trotz schlechter Bezahlung immer noch attraktiver als eine Arbeit in der Landwirtschaft. Und so zerlegen die Arbeiter die Stahlkolosse in mühevoller Kleinstarbeit unter Aufwendung ihrer eigenen Körperkraft. Sofern sie überhaupt technische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt bekommen, beschränken diese sich meistens auf Schneidbrenner, Hammer und Seile.

„National Geographic“-Video: Where Ships Go to Die, Workers Risk Everything

„Shipbreaking has grown into a major occupational and environmental health problem in the world. It is amongst the most dangerous of occupations, with unacceptably high levels of fatalities, injuries and work-related diseases.“ ILO

Besonders die Schneidbrenner können im Rumpf gefährlich werden. Treffen die Arbeiter mit diesen Schneidwerkzeugen nämlich auf Rohre, in denen noch Gasreste vorhanden sind, kommt es zu Explosionen. Offizielle Unfallregister gibt es nicht, aber verschiedenen Quellen nach sind bereits mehrere Arbeiter auf diese Art und Weise ums Leben gekommen.

Andere Arbeiten sind übrigens nicht minder gefährlich. Das Risiko von schweren, herausbrechenden Stahlteilen erschlagen zu werden, besteht grundsätzlich. Außerdem sind die Arbeiter ohne Schutzkleidung ständig giftigen Stoffen ausgesetzt. Nebem dem schon erwähnten Asbest sind dies unter anderem: Blei, Quecksilber, Arsen oder Cadmium.

Die International Labour Organisation (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, kommt zum Schluss, dass das Abwracken von Schiffen wegen seiner gesundheitlichen Folgen zu einem ernstzunehmenden Problem geworden ist. Wie die NGO „Shipbreaking Platform“ versucht auch die ILO sich international für höhere Standards in dieser Branche einzusetzen.

Die Umweltschäden sind immens

Diese höheren Standards wären nicht nur zur Verringerung der gesundheitlichen Folgeschäden sinnvoll, sondern auch zum Schutze der Umwelt. Beim „Beaching“, also dem Abwracken der Schiffe auf dem Strand, laufen giftige Stoffe ungehindert ins Meer. Schon heute sind die Böden und Gewässer im Umkreis der Verschrottungsanlagen stark belastet, wie eine Studie der Weltbank zeigt.

Von Protesten gegen diese Praxis ist trotz eines neu aufkeimenden Umweltbewusstseins selten zu lesen. Anscheinend gibt es in der gesamten Verschrottungskette zu viele Profiteure. Manchmal ist der politische Druck allerdings doch zu groß. So wollte Frankreich seinen ausgedienten Flugzeugträger „Clemenceau“ ursprünglich in Alang verschrotten lassen, wogegen die Umweltschutzorganisation „GREENPEACE“ allerdings öffentlichkeitswirksam protestierte. Nachdem der Oberste Gerichtshof Indiens dem Träger wegen der giftigen Stoffe die Einreise in indische Hoheitsgewässer versagte, machte der Stahlkoloss auf Geheiß des damaligen französischen Präsidenten kehrt. Letzten Endes wurde er im englischen Hartlepool zerlegt.

„Hongkong-Übereinkommen“ – Chance oder Feigenblatt?

Da die Eigner der Schiffe überwiegend im Westen, die Abwrackwerften aber in Südasien zu finden sind, bedürfte es für eine Verbesserung der Verschrottungsbedingungen internationale Standards. Einen ersten Versuch hat hierzu die internationale Schiffsfahrtsorganisation IMO im Jahr 2009 unternommen – mit dem „Hongkong-Übereinkommen“. „The Hong Kong International Convention for the Safe and Environmentally Sound Recycling of Ships“, wie die Konvention ausgeschrieben heißt, versucht die IMO Standards für den umweltgerechten und sichere Recyceln von Schiffen für Werften zu regeln.

Die Konvention ist allerdings bis heute nicht in Kraft getreten. Grundbedingung hierfür wäre, dass mindestens 15 Staaten sie ratifizieren, die mindestens 40 Prozent der Welthandelstonnage und nicht weniger als drei Prozent Recylingkapazität repräsentieren. Innerhalb der letzten 10 Jahre haben bisher nur dreizehn Staaten die Konvention ratifiziert. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sie wirklich eine Chance oder doch nur ein Feigenblatt ist.

#Schiffsfriedhof #Umwelt #Wirtschaft

15. November 2019