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Alwy Allwissend
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Blick auf die Bauarbeiten an Block I in Prora (Oktober 2016)
Auf der Insel Rügen, nicht weit vom Ostssebad Binz entfernt, an einem der schönsten Strände Deutschlands, liegt ein Ort, der mich in seinen Bann gezogen hat. Die Rede ist von Prora, einem scheinbar endlos langen Gebäudekomplex mit wechselhafter Geschichte, deutscher Geschichte.
Ursprünglich konzipiert wurde dieser Koloss von den Nationalsozialisten. Deren Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) wollte damit auf Geheiß von Adolf Hitler ein Seebad schaffen, in dem 20.000 Deutsche gleichzeitig ihren Urlaub verbringen sollten. Für dieses Mammutprojekt beauftragte Robert Ley, Führer der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), nach einer zweifelhaften Ausschreibung den Architekten Clemens Klotz aus Köln.
Dieser entwarf acht sechsgeschössige Blöcke mit jeweils 550 Metern Länge und damit genug Platz für 10.000 uniforme Gästezimmer, allesamt mit Seeblick ausgestattet. Das Inventar der Zimmer bestand aus jeweils zwei Betten, einer Sitzecke, einem Schrank, einem Heizkörper sowie einem Handwaschbecken. Aus heutiger Sicht wirkt diese Einrichtung spartanisch, sie war für damalige Verhältnisse aber ihrer Zeit voraus. So gesehen wäre das „Seebad der 20.000“ ein Vorbote des Massentourismus geworden. Denn anders als die KdF-Seereisen, zum Beispiel mit der „Wilhelm Gustloff“, hätte sich diese Art von Urlaub jeder Arbeiter leisten können.
„Prora verbietet ins Detail zu gehen.“ Wim Cox, Fotograf & Archivar
Auch an schlechtes Wetter wurde gedacht: Die Unterkunftsgebäude, welche landseitig Treppenhäuser und sanitäre Anlagen aufwiesen, sahen eine Unterbrechung mit beheizbaren Liegehallen vor.
Neben den Unterkunftsgebäuden waren zwei Empfangsgebäude, Gemeinschaftsräume mit Speisesälen, zwei Schwimm- und Gymnastikhallen, ein Kino, ein Theater, ein Turmcafé sowie eine Festhalle und ein Paradeplatz geplant. Außerdem: eine Kaianlage mit einem Sporthafen und zwei Seebrücken. An letzteren hätten Hochseeschiffe anlegen sollen.
Wer einmal Prora besucht hat, kann sich ohne viel Phantasie ausmalen, dass dieser Plan aufgegangen wäre. Der monotone Betongigant, ein vorgegebener Tagesablauf und das Zusammentreffen von 20.000 Menschen wären ein einschneidendes Urlaubserlebnis geworden. Doch zum „totalen Urlaub“ sollte es nicht mehr kommen, die Anlage wurde nur im Rohbau fertig. Und auch nur in Teilen.
Nach dem Sturz des NS-Regimes durch die Allierten fiel die Kontrolle Rügens der Sowjetunion zu. Im Zuge dessen wurde zwar anfangs öffentlich über eine zivile Nutzung des Prora-Areals diskutiert, schnell stand allerdings fest, dass das Militär das Gebiet für sich beanspruchen sollte.
Die Rote Armee, erste Nutzerin Proras, sprengte den südlichsten Block und trug diesen ab. Die beiden nördlichsten Blöcke wurden durch Sprengungen stark beschädigt, verschwanden aber nicht gänzlich von der Bildfläche. Ein Umstand der Prora den Mythos einbrachte, es sei unzerstörbar.
Die verblienen Gebäudeteile, die Blöcke 1 bis 5 nach heutiger Zählung, wurden zur Großkaserne umgebaut. Über die Jahre beherbte der Gebäuderiegel ein weites Spektrum militärischer Einheiten: ein motorisiertes Schützenregiment, ein Artillerieregiment, ein Panzerregiment sowie ein Fallschirmjägerbataillon der NVA fanden zeitweilig ebenso Platz wie eine Offizierhochschule und eine Technische Unteroffizierschule. Je nach Bedarf wurden die Blöcke immer wieder angepasst. Prora weist somit eine über 40-jährige DDR-Nutzungsgeschichte auf.
In diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert sind die Bausoldaten, welche zeitweise in Prora stationiert wurden. Diese abwertent auch als „Spatis“ bezeichneten Soldaten – wegen des Spatensymbols auf der Schulterklappe der Uniform – waren Kriegsdienstverweigerer. Da es allerdings anders als in der BRD keinen zivilen Ersatzdienst gab, war dieser Militärdienst die einzige Möglichkeit, den Dienst an der Waffe zu verweigern. Wer sich hierzu allerdings entschloss, wurde fortan vom Regime drangsaliert.
„Drei Worte genügen – nie wieder Rügen!“ Ein Spruch der Bausoldaten
In Prora wurden die Bausoldaten als billige Arbeitskräfte zum Bau des Eisenbahnfährhafens im nahegelegenen Mukran, heute Fährhafen Sassnitz genannt, eingesetzt und ausgenutzt. Darüber hinaus wurden sie militärisch gedrillt und von Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi unterwandert.
Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundeswehr das Gelände. Sie trennte sich allerdings bereits nach zwei Jahren von der Liegenschaft, wodurch das Gelände im Jahr 1993 erstmalig wieder frei zugänglich für die Bevölkerung wurde.
1996 wurde die gesamte Anlage unter „Denkmalschutz“ gestellt. Das Wort muss allerdings in Anführungszeichen gesetzt werden, weil von einem ernstgemeinten Denkmalschutz in diesem Fall keine Rede sein kann! Die Bundesvermögensverwaltung als Eigentümerin führte nur die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen durch und gab die Gebäude fortan dem Verfall preis. Im Prinzip hatte die Verwaltung nur ein Interesse, nämlich alle Blöcke zu verkaufen. Ein Käufer für die gesamte Anlage sollte sich aber nicht finden.
In Zeiten eines knappen Bundeshaushalts ist eine Veräußerung von Bundesvermögen durchaus nachvollziehbar, dennoch stellt sich die Frage, ob das eingenommene Kapital wirklich die Chance einer historischen Aufarbeitung zweier deutscher Diktakturen aufwiegt. Es scheint, als wenn Prora als lästige Altlast empfunden wurde.
Was als Ganzes nicht gelang, klappte schlussendlich in Stücken: Über die Jahren konnten die einzelnen Blöcke an verschiedene private Investoren veräußert werden. Diese sanieren die Gebäude und schufen Eigentumswohnungen sowie ein Apartment-Hotel mit dem Namen „Prora Solitaire“. Bei allen Sanierungsarbeiten wurde eine sehr flexible Auslegung des Denkmalschutzes geduldet, möglicherweise um den Investoren keine zu großen Steine in den Weg zu legen.
Block 5 ist heute das einzige Gebäude, welches sich noch in der öffentlichen Hand befindet. Der Bund verkaufte es Ende 2006 für einen symbolischen Euro an den Landkreis Rügen. In einem Drittel des Gebäudes hat eine Jugendherberge des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) ihr zu Hause gefunden. In den anderen Dritteln verfällt das Gebäude zusehends.
Wenngleich Urlaub machen in Prora heute möglich ist, verbleibt meiner Meinung nach ein Wermutstropfen. Leider ist trotz anderslautender Bekundungen der Politik kein nachhaltiges Konzept umgesetzt worden, um an diesem Ort – am besten in einem der Blöcke – langfristig die wechselhafte deutsche Geschichte aufzuarbeiten. Die letzten beiden gemeinnützigen Mieter im Block 3 bzw. dem anliegenden südlichen Empfangsgebäude, die KulturKunststatt Prora sowie das Dokumentationszentrum Prora, sind seit Jahren von der Schließung bedroht. Andere Mieter, die Block 3 auf Eigeniniative hin zu einer Museumsmeile verwandelt hatten, sind längst ausgezogen.
Eine vertane Chance für die deutsche Geschichte!
9. April 2017
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