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Teil der Maritimen Seidenstraße: der Tiefwasserhafen Yangshan von Shanghai, China (© Patrick Foto – stock.adobe.com)
Unter dem griffigen Slogan „One Belt, One Road“ treibt China eine Vielzahl großer Investitionsprojekte voran. Das propagierte Ziel: der Ausbau von Handelswegen. Doch geht es vielleicht um mehr, etwa um politischen Einfluss auf die Handelspartner?
Der Name „Neue Seidenstraße“ jedenfalls wurde nicht zufällig gewählt. Er nimmt Bezug auf die historische Seidenstraße, welche ein Synonym für ein Netz aus Karawanenstraßen war. Die Hauptroute dieses Netzes verlief über Land und verband den Mittelmeerraum über Zentralasien mit Ostasien. Richtung Westen wurde in der Antike hauptsächlich Seide gehandelt. Wohl ein Grund für den Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen dem uralten Handelsweg seinen Namen Seidenstraße zu schenken.
Richthofens Expedition im 19. Jahrhundert dauerte übrigens über 12 Jahre. Die Erkundungen waren dabei alles andere als eigennützig: Richthofen sollte nämlich für die deutsche Wirtschaft herausfinden, über welche Bodenschätze China verfügt und wie diese sich ausbeuten lassen. Damals ahnte wohl niemand, wie stark sich das Kräfteverhältnis noch verändern würde. Heute ist China, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.
So treibt die chinesische Regierung seit 2013 unter ihrem Staatspräsidenten Xi Jinping eine Vielzahl von Projekten voran. Die „Belt and Road Iniative“, kurz BRI, bildet dabei die lose Klammer um diese Projekte. Der gemeinsame Slogan „One Belt, One Road“ beschreibt verkürtzt, worum es den Staatslenkern im Reich der Mitte geht. Auf dem Landweg sollen von China aus gesehen folgende Korridore ausgebaut werden:
Auf dem Seeweg, der maritimen Seidenstraße, sind schon heute die wichtigsten und bedeutendsten Containerhäfen der Welt miteinander verbunden. Experten sagen voraus, dass auch zukünftig – trotz aller Anstrengungen – die Landwege nur eine nachgeordnete Rolle in der Logistik spielen werden. Der Preis für den Transport eines Standard-Container zwischen Shanghai und Duisburg per Eisenbahn beträgt zwischen 4.000-6.000 Euro, ein vergleichbarer Container Shanghai-Hamburg per Schiff kommt derzeit auf rund 1.500 Euro.
Zur Einordnung: Im Jahr 2017 bewegten 2400 Züge zwischen dem Reich der Mitte und Mitteleuropa rund 145.000 Standardcontainer, das entspricht in etwa der Ladung von sieben großen Containerschiffen. Obwohl die Eisenbahn sogar einen Geschwindigkeitsvorteil hat, überwiegen die Kapazitätsbeschränkungen deutlich.
Im Duisburger Hafen ist die Freude über den Bahnanschluss dennoch groß. Dort endet nämlich eine gut 10.000 km lange Bahnstrecke, welche in Chongqing, China, beginnt. Über sie erreichen inzwischen 35 Züge pro Woche das Duisburg Intermodal Terminal (DIT). Es handelt sich beim DIT um ein trimodales Terminal, was bedeutet, dass am DIT nicht nur Schiffe und LKWs abgefertigt werden, sondern auch Züge.
Während früher im Duisburger Hafen hauptsächlich Kohle und Erze umgeschlagen wurden, sind es heute Schrott, Stahlwaren und Container. Letztere enthalten Elektronik, Textilien, aber auch Spielzeug. Eben all das, was im Westen gefragt ist. Vom Duisburger Hafen aus, übrigens inzwischen der größte Binnenhafen Europas, werden die Waren weitergeschickt.
Dass es China bei der neuen Seidenstraße neben dem Ausbau von Handelswegen auch um Einfluss geht, lässt sich in Duisburg bisher nicht beobachten. In verschiedenen Berichten klingt an, dass die Duisburger Hafenwirtschaft auf Augenhöhe mit den Chinesen kooperiere.
Ganz anders sieht dies im Hafen von Piräus, Griechenland, aus. Seit Ende 2009 befinden sich 51 % der Betreibergesellschaft Piraeus Port Authority (PPA) für einen Zeitraum von 35 Jahren in chinesischer Hand. Der chinesische Logistikkonzern Cosco hat einiges investiert, der Umschlag hat sich verzehnfacht. Chinesische Analysten sagen deshalb, Piräus sei der „Kopf des Drachen“ in Europa.
Doch es gibt auch einen Preis für diesen wirtschaftlichen Aufschwung. So ist es sicherlich kein Zufall, dass sich das krisengeschüttelte Griechenland bei kritischen Themen gegenüber China inzwischen verweigert. 2017 beispielsweise torpedierte das Außenministerium eine gemeinsame Erklärung der EU-Staaten, welche die Menschenrechtssituation in China anprangerte. Es handele sich um keine konstruktive Kritik, gab das griechische Außenministerium damals zu Protokoll.
Die wohl speziellste Kooperation innerhalb der BRI-Aktivitäten findet sich zwischen den Ländern China und Pakistan. Die Partner könnten kulturell, politisch und religiös nicht unterschiedlicher sein und dennoch benötigen sie sich gegenseitig. Das Reich der Mitte möchte über Pakistan einen Zugang zum Indischen Ozean erlangen, Pakistan hingegen leidet unter großer Armut und politischer Instabilität und erhofft sich durch die Neue Seidenstraße am wirtschaftlichen Erfolg Chinas teilhaben zu können.
Doch das Reich der Mitte ist für die Regierung in Islamabad noch in einem anderen Punkt essentiell. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die USA und Pakistan ein angespanntes Verhältnis miteinander haben. Da kommen die Chinesen als neue Schutzmacht genau zur richtigen Zeit und haben praktischerweise mit Indien auch noch einen gemeinsamen Rivalen. Seit der Staatsgründung Pakistans stehen sich Pakistan und Indien in Feindschaft gegenüber. Das noch recht junge Land Pakistan gibt es nämlich erst seit 1947. Es entstand damals durch die Teilung des indischen Subkontinents als Großbritannien sich als Kolonialmacht aus der Region zurückzog.
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Die Chinesen sind deshalb in Pakistan ein gern gesehener Waffenlieferant. Darüber hinaus sind China, Pakistan und Indien am Kaschmir-Konflikt beteiligt. Alle drei Länder beanspruchen bei diesem Territorialstreit Teile des ehemaligen, 1947 aufgelösten indischen Fürstenstaats Jammu und Kashmir.
Zweifelsohne ist China bei der Kooperation mit Pakistan der stärkere Partner und nimmt sich deshalb auch heraus, die Bedingungen zu diktieren. Der Preis dafür: Die islamische Republik hält sich mit Kritik daran zurück, dass in der Provinz Xinjiang, an der Grenze zu Pakistan, muslimische Uiguren in Internierungslagern festgehalten werden. Die Menschenrechtsverletzungen werden entweder gar nicht kommentiert oder euphemistisch als notwendigen „Kampf gegen den Terror“ deklariert.
Die Anzahl von chinesischen Arbeitern, welche durch den Ausbau des Karakorum Highway bzw. des Hafens in Gwadar in Pakistan leben, hat deutlich zugenommen. Das Zusammenleben der Pakistaner und Chinesen ist dabei mehr durch Opportunismus denn durch Zuneigung geprägt. So findet der in Pakistan verbotene Ausschank von Alkohol heute in China-Restaurants statt, welche sich hinter der Fassade von Wohnhäusern tarnen.
Auf der Neuen Seidenstraße werden wie bei ihrem historischen Vorgänger nicht nur Waren transportiert, sondern es wird auch die Kultur transportiert werden. Es scheint aber dieses Mal so, als wenn sich das Reich der Mitte seinen ganz eigenen Weg bahnt. Anders als früher wird nur die chinesische Kultur transportiert und zwar „one way“.
Die horrenden Investitionssummen könnten sich auf lange Sicht für China auszahlen. Es wäre nicht das erste Mal, dass China dort investiert, wo sich der Westen schon lange zurückgezogen hat. Es ist eine gewisse Unverfrorenheit gepaart mit Effizienzdenken bei all den chinesischen Aktivitäten zu erkennen. Bermerkenswert deshalb, weil China bis heute ein kommunistisches Land geblieben ist, den kapitalistischen Ländern aber in nichts mehr nachsteht.
16. November 2019
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