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Alwy Allwissend
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Berechtigte Frage an der Wand der früheren Polytechnischen Oberschule "Egon Schulz", Prora
Der Ausverkauf der Geschichte geht fröhlich weiter, nun soll auch noch der von der Jugendherberge nicht genutzte Teil des Blocks fünf in private Hand übergehen. Es drängt sich erneut die Frage auf, wo und wie viel Platz für die Geschichte Proras bleibt?
Die Ursprungsidee für Prora, ein Seebad mit gigantischen Ausmaßen zu errichten, geht auf eine der dunklen Zeiten deutscher Geschichte zurück. Die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF), eine Unterorganisation der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) wollte auf Geheiß von Adolf Hitler einen Urlaubsort für deutsche Arbeiter schaffen, direkt am malerisch schönen Strand der Prorer Wiek. Zur Umsetzung dieses Unterfangens wurde nach einer zweifelhaften Ausschreibung der Kölner Architekt Clemens Klotz beauftragt. Er entwarf einen Komplex aus Gebäuden, der sich im Endzustand über eine Länge von 4,5 km hinziehen sollte (mehr dazu in einem früheren Beitrag von mir). Ein Modell dieser Gigantomanie wurde übrigens bei der Weltausstellung 1937 in Paris mit einem „Grand Prix“ ausgezeichnet.
Zum gleichgeschalteten Urlaub für die Massen sollte es kriegsbedingt allerdings nicht mehr kommen. Der Krieg verhinderte eine Fertigstellung und so wurde die Anlage nur im Rohbau fertig und das auch nur in Teilen. Folglich hat in der NS-Zeit nie auch nur ein einziger Deutscher Urlaub in Prora gemacht. Eine wichtige Feststellung an dieser Stelle, die spätere Akteure rund um Prora stets vergessen zu scheinen.
Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ entdeckte eine weitere deutsche Diktatur den Ort für sich. Die „Deutsche Demokratische Republik“ (DDR) sah trotz des Zustands der Anlage – zwischenzeitlich hatte die Rote Armee an einigen Stellen Sprengungen vorgenommen – enormes Potenzial. Und so baute die DDR das Areal zu einer Großkaserne um. In über 40 Jahren wurde dieser Standort die militärische Heimat verschiedener Einheiten und der Bausoldaten. Letztere waren Bürger, die sich dem Dienst an der Waffe verweigerten. Da es allerdings keinen Zivildienst wie in der Bundesrepublik Deutschland gab, wurden sie vom Regime als günstige Arbeitskräfte missbraucht, meistens unter Schikane und mit heimlicher Bewachung durch Stasi-Spitzel.
Im wiedervereinigten Deutschland ging Prora in den Staatsbesitz über. Die BRD wusste allerdings nach Abzug der Bundeswehr nichts mit der Immobilie anzufangen und veräußerte vier der fünf noch existierenden Blöcke an private Investoren. Diese bauen ihre Blöcke derzeit unter eigenwilliger Interpretation des Denkmalschutzes (hierüber habe ich in einem früheren Beitrag berichtet) um. Entstanden sind in der Mehrheit Luxuswohnungen und ein hochpreisiges Apartment-Hotel. Aber auch Mietwohnungen und ein wenig Gastronomie sowie Einzelhandel haben ihren Platz gefunden.
Der fünfte Block wurde für einen symbolischen Euro an den Landkreis Vorpommern-Rügen verkauft. In einem Drittel fand eine Jugendherberge des Deutsches Jugendherbergswerks (DJH) Platz, die anderen zwei Drittel wurden Wind und Wetter preisgegeben. Dies soll sich nun allerdings ändern: Der Kreistag des Landkreises möchte laut Ostsee-Zeitung.de circa 300 Meter des Blocks an einen privaten Investor veräußern. Für den noch übrig bleibenden unsanierten Rest, eine Liegehalle sowie ein Treppenhaus, solle ein Eigentümer oder Erbbaurechtsträger für 40 Jahre gefunden werden, der den Vereinen zur Aufarbeitung der Geschichte Proras diese Fläche kaltmietfrei zur Verfügung stellt. Die folgende schematische Darstellung zeigt auf, wie wenig Platz für die Vereinsarbeit in Prora verbleiben würde. Alles unter der Annahme, dass den Vereinen in den anderen Blöcken bzw. dem Empfangsgebäude durch die fortschreitenden Baumaßnahmen der Investoren gekündigt wird.
Landrat Ralf Drescher (CDU) sieht das Ganze laut DPA dennoch als „Win-Win-Situation“ für alle Seiten. Zweifel sind an dieser Stelle durchaus angebracht, denn der Ort wird bis heute geschichtsverzerrend als „ehemaliges Kdf-Seebad“ verkauft – auch auf Verkehrsschildern rund um die Anlage. So als wenn es wirklich KdF-Urlauber gegeben hätte, was aber wie oben festgestellt nie der Fall gewesen ist. Die deutlich längere DDR-Geschichte dieses Ortes wird gerne komplett verschwiegen oder wenn überhaupt glorifiziert. Das ist schade, denn der Ort ist nicht wie in vielen sozialen Medien fälschlich tituliert ein „Lost Place“, sondern eine große Chance die Geschichte zweier deutscher Diktaturen kritisch aufzuarbeiten und gleichzeitig in naher Zukunft ein Urlaubsort an einem der schönste Strände Deutschlands zu werden.
29. März 2018
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